Fischer Taschenbuch Verlag, 512 pages
Quatrième de couverture:
Erinnerungen an die Welt von Gestern – an die bürgerliche Welt, die in zwei Weltkriegen unterging. Erinnerungen an das alte Wien, und an ein unstetes Leben: Europa auf der Flucht vor sich selbst. Stefan Zweigs Lebensgeschichte und zugleich die seiner Generation.
Mon avis:
Un livre lu durant les deux jours passés dans le train entre l'Autriche et la Suisse, dans une urgence fiévreuse dont Zweig lui-même me livre l'explication lorsqu'il s'interroge sur les raisons du succès que rencontrent ses romans: il est, écrit-il, un lecteur impatient. Seuls les textes qui tiennent le lecteur en haleine jusqu'à la dernière ligne lui procurent une satisfaction parfaite. Impatience qui n'épargne d'ailleurs même pas les grands classiques de la littérature, ainsi qu'il a l'honnêteté de l'admettre.*
Dans ce récit autobiographique rédigé dans l'exil brésilien entre 1939 et 1941, Zweig dresse un portrait critique et très juste de l'Europe du tournant du siècle jusqu'à la Seconde Guerre mondiale. Portrait d'une société bourgeoise au bord du gouffre, d'une jeunesse nouvelle qui rejette en bloc tout ce qui s'apparente de près ou de loin à la tradition, portrait également d'un artiste profondément cosmopolite, qui cherche son rôle dans une Europe qui dresse ses peuples les uns contre les autres au nom d'un nationalisme artificiel.
Le texte s'ouvre sur l'Europe d'avant-guerre, lente et majestueuse comme un roi patriarcal, dans l'illusion d'une sécurité inébranlable. L'Europe des hommes respectables et barbus, et qui fait rimer sagesse avec vieillesse. Zweig raconte ses années de Bohème, Berlin, Paris, Londres, Bruxelles, les amitiés nouées avec Rolland et Verhaeren. Et cette nuit de l'été 1914, dans le dernier train de nuit qui circule entre la Belgique et l'Autriche, à bord duquel Zweig figure les premiers témoins de la violation de la neutralité belge par les troupes allemandes en vertu du plan Schlieffen. Il relate sa correspondance passionnée avec Rolland et les articles publiés depuis l'exil suisse, le retour dans une Autriche dévastée et la famille impériale bannie, croisée à la frontière autrichienne. Zweig formule une analyse très pertinente sur les changements qui s'opèrent dans la société. Après avoir narré l'Europe à barbe blanche, il décrit une Europe nouvelle, jeune et imberbe, et suit avec effroi la montée des extrêmes avant de fuir les uniformes marrons en émigrant au Brésil.
Je vous livre ici un passage sur l'Europe de l'entre-deux-guerre qui m'éblouit par la justesse de son analyse. (Désolée, c'est en allemand, je ne me sens pas le courage de traduire.)
(…) innerlich vollzog
sich eine ungeheure Revolution in diesen ersten Nachkriegsjahre.
Etwas war mit den Armeen zerschlagen worden : der Glaube an die
Unfehlbarkeit der Autoritäten, zu dem man unsere Jugend so
überdemütig erzogen. Aber hätten die Deutschen ihren Kaiser weiter
bewundern sollen, der geschworen hatte zu kämpfen "bis zum letzten
Hauch von Mann und Roß" und bei Nacht und Nebel über die Grenze
geflüchtet war, oder ihre Heerführer, ihre Politiker oder die
Dichter, die unablässig Krieg auf Sieg und Not auf Tod gereimt?
Grauenhaft wurde erst jetzt, da der Pulverkampf sich über dem Land
verzog, die Verwüstung sichtbar, die der Krieg hervorgerufen. Wie
sollte ein Sittengebot noch als heilig gelten, das vier Jahre lang
Mord und Raub unter dem Namen Heldentum und Requisition verstattet?
(…) So weit sie wache Augen hatte, sah die Welt, daß sie betrogen
worden war. (…) Was Wunder, wenn da eine ganze junge Generation
erbittert und verachtungsvoll auf ihre Väter blickte, die sie sich
erst den Sieg hatten nehmen lassen wollen und dann den Frieden? (…)
War es nicht verständlich, wenn jedwede Form des Respekts verschwand
bei dem neuen Geschlecht? Eine ganz neue Jugend glaubt nicht mehr den
Eltern, den Politikern, den Lehrern; jede Verordnung, jede
Proklamation des Staates wurde mit misstrauischem Blick gelesen. Mit
einem Ruck emanzipierte sich die Nachkriegsgeneration brutal von
allem bisher Gültigen und wandte jedweder Tradition den Rücken zu,
entschlossen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, weg von
alten Vergangenheiten und mit einem Schwung in die Zukunft. Eine
vollkommen neue Welt, eine ganz andere Ordnung sollte auf jedem
Gebiete des Lebens mit ihr beginnen; und selbstverständlich begann
alles mit wilden Übertreibungen. Wer oder was nicht gleichaltrig
war, galt als erledigt. Statt wie vordem mit ihren Eltern zu reisen,
zogen elfjährige, zwölfjährige Kindern in organisierten und
sexuell gründlich instruierten Scharen als „Wandervögel“ durch
das Land bis nach Italien und die Nordsee. In den Schulen wurden nach
russischem Vorbild Schülerräte eingesetzt, welche die Lehrer
überwachten, der "Lehrplan" umgestoßen, denn die Kinder sollten
und wollten bloß lernen, was ihnen gefiel. Gegen jede gültige Form
wurde aus bloßer Lust an der Revolte revoltiert, sogar gegen den
Wille der Natur, gegen die ewige Polarität der Geschlechter. Die
Mädchen ließen sich die Haare schneiden, und zwar so kurz, daß man
sie in ihren "Bubiköpfen" von Burschen nicht unterscheiden
konnte, die jungen Männer wiederum rasierten sich die Bärte, um
Mädchenhafter zu erscheinen, Homosexualität und Lesbierinnentum
wurden nicht nur aus innerem Trieb, sondern als Protest gegen die
althergemachten, die legalen, die normalen Liebesformen große Mode.
Jede Ausdrucksform des Daseins bemühte sich, radikal und
revolutionär aufzutrumpfen, selbstverständlich auch die Kunst. Die
neue Malerei erklärte alles, was Rembrandt, Holbein und Velasquez
geschaffen, für abgetan und begann die wildesten kubistischen und
surrealistischen Experimente. Überall wurde das verständliche
Element verfemt, die Melodie in der Musik, die Ähnlichkeit im
Portrait, die Faßlichkeit in der Sprache. Die Artikel "der, die
das" wurden ausgeschaltet, der Satzbau auf den Kopf gestellt, man
schrieb "steil" und "keß" im Telegrammstil, mit hitzigen
Interjektionen, außerdem wurde jede Literatur, die nicht
aktivistisch war, das heißt, nicht politisch theoretisierte, auf den
Müllhaufen geworfen. Die Musik suchte starrsinnig eine neue
Tonalität und spaltete die Takte, die Architektur dreht die Häuser
von innen nach außen, im Tanz verschwand der Walzer vor kubanischen
und negroiden Figuren, die Mode erfand mit starker Betonung der
Nacktheit immer andere Absurditäten, im Theater spielte man „Hamlet“
im Frack und versuchte explosive Dramatik. Auf allen Gebieten begann
eine Epoche wildesten Experimentierens, die alles Gewesene,
Gewordene, Geleistete mit einem einzigen hitzigen Sprung überholen
wollte; je jünger einer war, je weniger er gelernt hatte, desto
willkommener war er durch seine Unverbundenheit mit jeder Tradition –
endlich tobte sich die große Rache der Jugend gegen unsere
Elternwelt triumphierend aus. (…) Biedere, brave, graubärtige
Akademieprofessoren übermalten ihre einstigen, jetzt unverkäuflich
gewordenen „Stilleben“ mit symbolischen Würfeln und Kuben, weil
die jungen Direktoren (überall suchte man jetzt Junge und besser
noch: Jüngste) alle andern Bilder als zu "klassizistisch" aus
den Galerien räumten und ins Depot stellten. (…) Überall lief das Alter verstört der letzten Mode nach; es gab plötzlich nur den einen Ehrgeiz, "jung" zu sein und hinter der gestern noch aktuellen eine noch aktuellere, noch radikalere und noch nie dagewesene Richtung prompt zu erfinden.
Welch eine wilde,
anarchische, unwahrscheinliche Zeit, jene Jahre, da mit dem
schwindenden Wert des Geldes alle andern Werte in Österreich und
Deutschland ins Rutschen kamen! Eine Epoche begeisterter Ekstase und
wüster Schwindelei, eine einmalige Mischung von Ungeduld und
Fanatismus.
Zweig, Die Welt von Gestern, Frankfurt a/M: Fischer Taschenbuch Verlag, 2012, p. 339-343.
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*Letzten Endes glaube ich, stammt er [der unvermuteter Erfolg] von einer persönlichen Untugend her, nämlich daß ich ein ungeduldiger und temperamentvoller Leser bin. Jede Weitschweifigkeit, alles Schwelgerische und Vage-Schwärmerische, alles Undeutliche und Unklare, alles überflüssige-Retardierende in einem Roman, einer Biographie, einer geistigen Auseinandersetzung irritiert mich. Nur ein Buch, das ständig, Blatt für Blatt, die Höhe hält und bis zur letzten Seite in einem Zuge atemlos mitreißt, gibt mir einen vollkommenen Genuß. (...) Selbst bei den berühmtesten klassischen Meisterwerke stören mich die vielen sandigen und schleppenden Stellen (...).
Zweig, Die Welt von Gestern, Frankfurt a/M: Fischer Taschenbuch Verlag, 2012, p. 363.