KKL, 23.11.2008, 18:30
Heute versuche ich es mal, eine Kritik auf Deutsch zu schreiben. Früher oder später werde ich mich schliesslich dazu entscheiden müssen, denn es sieht ja immer mehr so aus, als ob ich mein Studium in Wien fortsetzen werde...
Den Text hatte ich bereits auf der zweistündigen Rückfahrt im Zug in meine Agenda gekritzelt, weil ich mein Buch schon bei der hinfahrt fertigelesen hatte - das reinste Drama: ich wusste vorerst gar nicht, was ich während der langen Reise anstellen sollte. Wie ich vom Konzert noch völlig durcheinander war, ist mir die 'Kritik' auch ein wenig sonderbar geraten:
Heute versuche ich es mal, eine Kritik auf Deutsch zu schreiben. Früher oder später werde ich mich schliesslich dazu entscheiden müssen, denn es sieht ja immer mehr so aus, als ob ich mein Studium in Wien fortsetzen werde...
Den Text hatte ich bereits auf der zweistündigen Rückfahrt im Zug in meine Agenda gekritzelt, weil ich mein Buch schon bei der hinfahrt fertigelesen hatte - das reinste Drama: ich wusste vorerst gar nicht, was ich während der langen Reise anstellen sollte. Wie ich vom Konzert noch völlig durcheinander war, ist mir die 'Kritik' auch ein wenig sonderbar geraten:
- Haydn (1732-1809): Variationen in f-moll, Hob XVII/6
- Mozart (1756-1761): Klaviersonate in F-Dur, KV 533
- Beethoven (1770-1827): Klaviersonate in Es-Dur "Quasi una fantasia", Op. 27, Nr. 1
- Schubert (1797-1828): Klaviersonate in B-Dur
Zug von Luzern nach Bern, 21:35, kurz nach Zofingen. Es schneit, die Nacht ist lila gefärbt, Himmel und Erde weiss umwirbelt. Es herscht so was wie Weihnachtsstimmung.
Im Zug ists gemütlich vollgestopft; junge Männer in Uniform die zurück in die Kaserne müssen, Studenten aus dem Wochenende kommend und Konzertbesucher mit dem Programm in der Hand. Es werden dicke Romäne gelesen, Physik-Übungen fertig gemacht, Haydn- und Mozartpassagen diskutiert. Eine lockere, freundliche Atmosphäre, nach einem emotional sehr schönen Abend.
Alfred Brendels Abschiedskonzert, sein letzter Auftritt in der Schweiz. Wenn ich mich nicht irre, so war es denn auch auch seiner letzten Konzerte überhaupt, in einer Abschiedstournee die in einem Monat in Wien endet.
Der Konzertsaal des KKL war klatschvoll - nicht so arg wie der Zug, aber immerhin. Stühle waren noch auf der Bühne gereiht, das Publikum war (mindestens) aus der ganzen Schweiz angereist. Alles war gebannt, der Meister trat mit seinen gedehnten, elastischen Schritt ein, verbeugte sich kurze, und spielte Haydn. Und das mit so viel innerlichem lachen, dass mir unwillkürlich die Mundwinckel hochgingen. Danach folgte eine frische, unbefangene Mozartsonate, leider immer wieder von Husten und sonstige pfeifende und gurgelnde Geräusche gestrtört (das KKL-Publikum ist dieses Jahr irgenwie sehr kränkelnd). Dieser Mensch scheint Mozart au dem FF zu kennen und zu verstehen, alles ist so natürlich, so selbstverständlich, so einfach und überzeugend. Heiter aber nicht frivol, leicht aber nicht leer. Wunderbar!
Vor der Pause noch eine Beethovensonate quasi una fantasia, die Brendel auch wirklich quasi una fantasia spielt: eine wenig verträumt, ein wenig in sich hinein gekehrt, manchmal auch leicht zaghaft, aber nie zuviel - es bleibt ja Beethoven und soll nicht irgendeinen Brahms oder Schumann werden.
Nach der Pause dann Brendels Prachtstück, die grosse B-Dur Sonate Schuberts, die Brendel letzen Sommer in Zürich so unsagbar schön gespielt hatte, dass ich das gleiche Programm heute Abend noch einmal hören musste. Vier Stunden Zug um Brendel mit dieser Sonate noch einmal zu hören - es hätten auch acht Stunden sein können: Brendels Interpretation war wieder einmal bezaubernd, in einer Weise die, glaube ich, allen Konzertanwesenden noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Wie damals in der Tonhalle, stehe ich vor einem grossen Fragezeichen: wie kann ich, mit Worten, diese unvergessliche Einspielung ausdrücken? Poesie wäre da wohl das einzige Mittel, es einigermassen hinzukriegen. Aber ich kann nicht dichten. Damals hatte ich das Vollkommene aus Brendels Interpretation hervorgehoben, heute würde ich hinzufügen, dass diese auch vollbracht ist. Weiter denk ich geht's auf dem Weg, den Alfred Brendel gegangen ist, nicht mehr. Der nächste, der Schubert spielen will, muss sich etwas anderes einfallen lassen, eine andere Richtung einschlagen. Brendel spielt wie wenn er jeden Nachmittag Kaffee und Kuchen mit dem Schubert gehabt hätte, und sie zusammen geplaudert und über Schuberts Kompositionen gesprochen hätten. Alles ist drin, alles, und der feinste wiener Esprit, dieses Schmuntzeln, diese sonnige und freudige Sprache, und der Humor, der hinter jedem Satz steckt, immer bereit, aufzutauchen. Fügt man Brendels unverwechselbare zarte und klare Klangfarbe hinzu haben wir Schubert in seiner edelsten und wahrhaftigsten Seite.
Nach einer standing ovation gabs eine kurze Rede, Brendel nahm dann auch das Mikrophon - vergass allerdings, es zu benutzen (die akkustischen Fähigkeiten des KKL wurden auf Probe gestellt, und es stellte sich heraus, dass man sich ohne Mikrophon wirklich von der Bühne aus mit der hintersten Reihe des vierten Balkon verhalten kann, und dies scheinbar ohne grosse Anstrengungen(!)). Sein gemütlicher österreichischer Akzent liess uns noch länger in der Wiener Klassik verweilen. Er dankte für unsere Aufmerksamkeit - wie?! und all die lärmenden Huster? - , wünschte dem Lucerne Festival eine goldene Zukunft: wie ich ja gelesen habe, hat die Julius Bär (Hauptsponsor des Festivals) einen herrvorragenden Jahresabschluss gehabt, und erinnerte sich am Schluss, wie er zum ersten Mal, vor 34 Jahre, am lucerne Festival aus seiner Kammer geholt wurde, in der er seine Finger wärmte: Plötzlich ging die Tür auf, und jemand sagte "Ufträtte!". Scherzend fügte er hinzu: Der Ton hat sich dann allerdings im Laufe der Jahre merklich geändert.
Zwei Zugaben schenkte uns der Meister, Liszt und Bach, und bejubelt wurde er jedesmal mit energischem klatschen, standing ovations und Bravorufe.
So schnell wird dieser Abend nicht vergessen gehen.
Im Zug ists gemütlich vollgestopft; junge Männer in Uniform die zurück in die Kaserne müssen, Studenten aus dem Wochenende kommend und Konzertbesucher mit dem Programm in der Hand. Es werden dicke Romäne gelesen, Physik-Übungen fertig gemacht, Haydn- und Mozartpassagen diskutiert. Eine lockere, freundliche Atmosphäre, nach einem emotional sehr schönen Abend.
Alfred Brendels Abschiedskonzert, sein letzter Auftritt in der Schweiz. Wenn ich mich nicht irre, so war es denn auch auch seiner letzten Konzerte überhaupt, in einer Abschiedstournee die in einem Monat in Wien endet.
Der Konzertsaal des KKL war klatschvoll - nicht so arg wie der Zug, aber immerhin. Stühle waren noch auf der Bühne gereiht, das Publikum war (mindestens) aus der ganzen Schweiz angereist. Alles war gebannt, der Meister trat mit seinen gedehnten, elastischen Schritt ein, verbeugte sich kurze, und spielte Haydn. Und das mit so viel innerlichem lachen, dass mir unwillkürlich die Mundwinckel hochgingen. Danach folgte eine frische, unbefangene Mozartsonate, leider immer wieder von Husten und sonstige pfeifende und gurgelnde Geräusche gestrtört (das KKL-Publikum ist dieses Jahr irgenwie sehr kränkelnd). Dieser Mensch scheint Mozart au dem FF zu kennen und zu verstehen, alles ist so natürlich, so selbstverständlich, so einfach und überzeugend. Heiter aber nicht frivol, leicht aber nicht leer. Wunderbar!
Vor der Pause noch eine Beethovensonate quasi una fantasia, die Brendel auch wirklich quasi una fantasia spielt: eine wenig verträumt, ein wenig in sich hinein gekehrt, manchmal auch leicht zaghaft, aber nie zuviel - es bleibt ja Beethoven und soll nicht irgendeinen Brahms oder Schumann werden.
Nach der Pause dann Brendels Prachtstück, die grosse B-Dur Sonate Schuberts, die Brendel letzen Sommer in Zürich so unsagbar schön gespielt hatte, dass ich das gleiche Programm heute Abend noch einmal hören musste. Vier Stunden Zug um Brendel mit dieser Sonate noch einmal zu hören - es hätten auch acht Stunden sein können: Brendels Interpretation war wieder einmal bezaubernd, in einer Weise die, glaube ich, allen Konzertanwesenden noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Wie damals in der Tonhalle, stehe ich vor einem grossen Fragezeichen: wie kann ich, mit Worten, diese unvergessliche Einspielung ausdrücken? Poesie wäre da wohl das einzige Mittel, es einigermassen hinzukriegen. Aber ich kann nicht dichten. Damals hatte ich das Vollkommene aus Brendels Interpretation hervorgehoben, heute würde ich hinzufügen, dass diese auch vollbracht ist. Weiter denk ich geht's auf dem Weg, den Alfred Brendel gegangen ist, nicht mehr. Der nächste, der Schubert spielen will, muss sich etwas anderes einfallen lassen, eine andere Richtung einschlagen. Brendel spielt wie wenn er jeden Nachmittag Kaffee und Kuchen mit dem Schubert gehabt hätte, und sie zusammen geplaudert und über Schuberts Kompositionen gesprochen hätten. Alles ist drin, alles, und der feinste wiener Esprit, dieses Schmuntzeln, diese sonnige und freudige Sprache, und der Humor, der hinter jedem Satz steckt, immer bereit, aufzutauchen. Fügt man Brendels unverwechselbare zarte und klare Klangfarbe hinzu haben wir Schubert in seiner edelsten und wahrhaftigsten Seite.
Nach einer standing ovation gabs eine kurze Rede, Brendel nahm dann auch das Mikrophon - vergass allerdings, es zu benutzen (die akkustischen Fähigkeiten des KKL wurden auf Probe gestellt, und es stellte sich heraus, dass man sich ohne Mikrophon wirklich von der Bühne aus mit der hintersten Reihe des vierten Balkon verhalten kann, und dies scheinbar ohne grosse Anstrengungen(!)). Sein gemütlicher österreichischer Akzent liess uns noch länger in der Wiener Klassik verweilen. Er dankte für unsere Aufmerksamkeit - wie?! und all die lärmenden Huster? - , wünschte dem Lucerne Festival eine goldene Zukunft: wie ich ja gelesen habe, hat die Julius Bär (Hauptsponsor des Festivals) einen herrvorragenden Jahresabschluss gehabt, und erinnerte sich am Schluss, wie er zum ersten Mal, vor 34 Jahre, am lucerne Festival aus seiner Kammer geholt wurde, in der er seine Finger wärmte: Plötzlich ging die Tür auf, und jemand sagte "Ufträtte!". Scherzend fügte er hinzu: Der Ton hat sich dann allerdings im Laufe der Jahre merklich geändert.
Zwei Zugaben schenkte uns der Meister, Liszt und Bach, und bejubelt wurde er jedesmal mit energischem klatschen, standing ovations und Bravorufe.
So schnell wird dieser Abend nicht vergessen gehen.
4 commentaires:
le concert ma cree tanti emozioni!
les zugabe mon fait pleure :)
c etait quoi, tu sais?
merci!
nicolas
Nicolas,
Je n'ai plus exactement tout en mémoire, et je ne suis pas chez moi en ce moment pour consulter mon petit carnet de notes. Les bis étaient:
Liszt, Années de Pèleringage I - Au Lac de Wallenstadt
Bach, probablement le mvt II du concerto italien (du moins c'est un des bis qu'il avait donné lors de son passage précédent en Suisse, avec le même programme, en mai 2008)
Salut lavinie,
C'est la classe, je cherche à pister Alfred Brendel pour le faire venir à une conférence et je tombe sur ton blog!
J'espère que tu vas bien et qu'on aura l'occasion de se revoir.
Bonne continuation,
Stéphanie
Ben voyons!
C'est bête, il était justement à Vienne en novembre (ou octobre? je ne sais plus bien, je l'ai loupé) pour tailler une bavette.
D'ailleurs, si l'envie te prends de te faire une cure intensive d'opéra, de café et de strudel, il y a un canapé-lit au nord de l'Augarten, libre sur demande ;)
A une prochaine j'espère!
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